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Traum

 
       
  Traum, Erscheinungen im Schlaf während der REM-Phase, die von schnellen Augapfelbewegungen gekennzeichnet ist. Sigmund Freud betrachtete den Traum als Ausdruck der Wunscherfüllung unterdrückter Triebe und Verschmelzung von Erinnerungen und Assoziationen, die mit erst kürzlich erfolgten Geschehnissen verknüpft sind. Doch haben Träume manchmal auch geheimnisvolle, unerklärliche Inhalte, die mit außersinnlichen Wahrnehmungen in Zusammenhang gebracht werden. Mark Twain »sah« in einem lebhaften Traum einmal die Leiche seines Bruders mit einem scharlachroten Blumenstrauß auf der Brust in einem Metallsarg liegen. Einige Wochen später erlag der Bruder den Verletzungen, die er sich auf einem Schiff nach der Explosion eines Kessels zugezogen hatte. Freunde stifteten einen Metallsarg, und als Mark Twain zur Beerdigung kam, war alles genauso, wie er es geträumt hatte – nur daß die Blumen eine andere Farbe hatten. Prophetische Träume scheinen jedoch verhältnismäßig selten zu sein; die meisten Träume entstehen durch einen vertrauten äußeren Reiz, der zu bestimmten Assoziationen anregt. So berichtete im 19. Jahrhundert der Forscher Alfred Maury, daß er, wenn Kölnisch Wasser vor seine Nase gebracht wurde, träumte, in einem exotischen ägyptischen Basar zu sein, oder daß er, als einmal ein Stück seines Bettes abbrach und ihm auf den Hals fiel, träumte, bei der Französischen Revolution guillotiniert zu werden. Im Gegensatz zu den meisten Freudschen Psychologen, die vom Trauminhalt annehmen, daß er das Wunschdenken und bildhafte Assoziationen widerspiegelt, geht C. G. Jung davon aus, daß der Traum gelegentlich auch geheiligte Archetypen offenbart, grundlegende mystische Symbole nicht des eigenen Unbewußten, sondern des kollektiven Unbewußten – universelle psychische Momente der sich ewig wiederholenden Erfahrungen der Menschheit.

Ob er sich erinnert oder nicht, jeder Mensch durchreist jede Nacht im T. die Welten seines Unbewußten. Ungefähr 90 Minuten nach dem Einschlafen beginnt die erste sogenannte REM-Phase, ca. vier weitere folgen im Abstand von ungefähr 90 Minuten. REM ist die Abkürzung von (englisch) rapid eye movement = schnelle Augenbewegung. Wissenschaftler haben festgestellt, daß sich Menschen fast immer an ihre T. erinnern, wenn man sie weckt, kurz nachdem die schnellen Augenbewegungen enden. Gewöhnlich spiegeln die T. Erinnerungen an das wache Leben wieder und versuchen, den Menschen in sein seelisches Gleichgewicht zurückzubringen. Unbewußte Hoffnungen, Wünsche oder Angste werden dabei ausgelebt. Da der T. die direkteste Verbindung zum Unterbewußten ist, ist seine Deutung für den Esoteriker besonders wichtig. Für die Ureinwohner Australiens ist die Traumzeit sogar wichtiger als das wache Leben, da ja unsere ganze menschliche Welt letztlich aus dem Geist entsteht. Wie wichtig das Träumen für uns tatsächlich ist, zeigt die Tatsache, daß kein Mensch eine längere Zeit des Traumentzugs überleben kann.

Traum 1. In den Religionen vieler Völker spielt der Traum - etwa als Quelle göttlicher Offenbarung - eine entscheidende Rolle. Bei den Assyrern, Ägyptern, Juden und Griechen gab es eigens Traditionen der Traumdeutung, die in zahlreichen Aspekten miteinander übereinstimmen. Die Ägypter glaubten, sie würden in ihren Träumen den Göttern selbst begegnen. Im Kontakt mit der « anderen Welt» erhofften sie sich Ratschläge und Warnungen für die Zukunft. In einem Papyrus aus Theben in Oberägypten, der um das Jahr 1350 v. Chr. geschrieben worden ist, werden Hinweise gegeben, wie man Träume deuten kann: Wer vom Tod träumt, kann mit einem langen Leben rechnen. Zähne, die einem im Traum ausfallen, weisen auf den Tod eines Familienmitgliedes hin. Gegen die Auswirkung bedrohlicher Träume gibt es Zaubersprüche. Wer etwa Nachrichten des Gottes Seth empfangen will, muss ihn beschwören: «Nimm ein reines Leinen und schreib darauf die gegebenen Namen. Falte es zu einem Lampendocht und gieße reines Öl darauf. Die Worte lauten Armuith, Lailanchoid, Arsenophephen, Phta, Archentechtha. Gehe dann abends ohne zu essen ins Bett und tue dieses: Nähere dich der Lampe und sprich siebenmal die Formel, lösche dann das Licht, leg dich wieder zum Schlafen. Die Formel ist: Sachnu eparna Ligotereench. Ewiger Donnerer, der du verschlungen hast die Schlange und aufsaugst den Mond und erhöhst die Sonne zu ihrer Zeit, Chtetho ist dein Name. Ich bitte, o Gebieter der Götter, Seth, Chreps, gebt mir die Nachricht, derer ich bedarf.» (Ägyptische Religion) Bisweilen erscheinen die Götter im Traum und fordern irgendein frommes Werk. In anderen Fällen geben sie Warnungen oder enthüllen Geheimnisse. Manche Träume müssen erst mit Hilfe gewisser Riten herbeigeführt werden. Es gab Heiligtümer, an denen Priester die «Inkubation » praktizierten. Inkubation ist der Schlaf an einer heiligen Stätte, der dem Zweck dient, im Traum eine Offenbarung zu empfangen. Die Ägypter gaben diese Praxis an andere Kulturen, vor allem an die Griechen, weiter (s. u.). Als « heilig » wurden vor allem die Träume der Könige und Priester angesehen. Viele solcher Träume schrieb man ehrfurchtsvoll auf. Böse Träume und ihre Folgen mussten abgewehrt werden. Für solche Zwecke hatten schon die Assyrer «Traumbücher ». Die Tontafeln des assyrischen Königs Assurbanipal (669-626 v. Chr.) übermitteln ein Wissen, das vielleicht bis 5000 v. Chr. zurückreicht. Wer im Traum fliege, so wird dort u. a. erklärt, werde sein Hab und Gut verlieren. (Babylon) 2. Aus dem Alten Testament sind vor allem Träume von Joseph, dem Pharao, Daniel, Nebukadnezar, Jakob und Salomo bekannt. Die Juden sind in der Exilszeit von Traumtheorien der Babylonier beeinflusst worden. (Israel) Auch Jahwe selbst kann sich im Traum offenbaren. « Denn auf eine Weise redet Gott und auf eine zweite; nur beachtet man’s nicht. Im Traum, im Nachtgesicht, wenn der Schlaf auf die Menschen fällt, wenn sie schlafen auf dem Bett, da öffnet er das Ohr der Menschen und schreckt sie auf und warnt sie, damit er den Menschen von seinem Vorhaben abwende und von ihm die Hoffart tilge und bewahre seine Seele vor dem Verderben und sein Leben vor des Todes Geschoss.» (Hiob 33, 14 ff.) In Israel gab es deshalb die Praxis, mit einer bestimmten Frage in den Schlaf zu gehen, um im Traum von Gott Antwort zu bekommen. In aussichtsloser Lage « befragte » z. B. Saul Jahwe; « aber der Herr antwortete ihm nicht, weder durch Träume noch durch das Los, noch durch Propheten» (1. Sam. 28, 6). Die Antwort Gottes erfolgt offensichtlich nicht automatisch. Deshalb wird die Gottheit bisweilen durch -> Opfer und Gebet zur Traumoffenbarung bewegt. Erst nachdem Salomo tausend Brandopfer dargebracht hatte, erschien ihm Jahwe « zu Gibeon im Traum des Nachts » (1. Kö. 3, 4 ff.). Ähnlich erging es Abraham (1. Mose 15, 9 ff.) und Jakob (1. Mose 46, 1 -7). Insgesamt gesehen ist die Bibel gegenüber dem Traum als Orakel allerdings sehr zurückhaltend. Gottesoffenbarungen aus Träumen begegnet man mit Vorsicht. Der Traum ist etwas Gespenstisches und Unheimliches, das vielleicht zu den Religionen anderer Völker, jedoch nicht so recht zum Glauben an den allein wahren Gott Israels passen will. Das Neue Testament enthält einige prophetische Träume. Joseph zum Beispiel wird vom « Engel des Herrn im Traum » davon abgehalten, die schwangere Maria zu verlassen (Mat. 1, 20). Die «Weisen aus dem Morgenland» werden im Schlaf gewarnt, zu Herodes zurückzukehren. Ein Engel fordert Joseph zur Flucht nach Ägypten auf. Nach dem Tod des Königs Herodes erfolgt die Aufforderung zur Rückkehr erneut durch einen Traum. Auch im Islam spielen Traum und Traumdeutung eine große Rolle Mohammed ließ sich die Träume seiner Schüler erzählen. Er deutete sie nicht nur nach Trauminhalten, sondern auch nach den persönlichen Merkmalen und der Situation des jeweiligen Träumenden. Mohammed selbst hat den ersten Teil des Koran im Traum empfangen. Im Bereich des Islam erfreuen sich Traumdeuter seit jeher großen Ansehens. Häufig verknüpft man Traumtheorien und Astrologie miteinander und berücksichtigt bei der Traumdeutung die jeweilige Mondphase, den Stand der Sterne sowie den betreffenden Wochentag und Monat. 3. Die Griechen betonten vor allem die heilende Kraft des Träumens. Deshalb breitete sich der Inkubationskult aus. Ursprünglich galt dieser der Erdmutter, und sein anfänglicher Zweck war es, Unfruchtbarkeit zu heilen. Der Schlaf im Tempel sollte zu einer sexuellen Vereinigung mit der Gottheit (z. B. mit Isis oder Seraphis) führen. ( Sexualität) Die Heilungsabsicht ging dann von sexuellen Gebrechen auf alle möglichen Krankheiten über. Die Inkubation begann mit Reinigung, Salbung und der Einnahme von Drogen, Arzneien oder Kräutern, die den Schlaf herbeiführten. Später deuteten Orakelpriester die Träume und berieten die Kranken über Mittel und Wege der Heilung. Das berühmteste Orakel war das des Asklepios (Äskulap) in Epidaurus. Das Zeichen des Asklepios ist die Schlange, die in der Psychoanalyse und auch in vielen Stammesreligionen als Symbol des männlichen Geschlechtsorgans und als Sinnbild der Stärke, Gesundheit und Fruchtbarkeit gedeutet wird. Der Heilkult breitete sich im ganzen Römischen Reich aus und wurde auch vom Christentum übernommen. An die Stelle der Vereinigung mit Gott im Schlaf trat allerdings die Vereinigung mit Gott im Gebet. Der Brauch des Schlafens in der Kirche hielt sich jedoch lange, und der Glaube an die Heilkraft bestimmter Orte (z. B. eines Wallfahrtsortes) bewirkte immer wieder neue «Wunder ». Eine Wende im Verständnis der Träume markiert Aristoteles (38422 v. Chr.). Er bezeichnete den Traum als Regung der Seele: Im Schlaf geht die Aktivität der Sinne zurück, aber ein Rest von Sinnestätigkeit wirkt fort. Traumvorstellungen können nun fälschlicherweise für wirkliche Dinge oder Ereignisse gehalten werden. Manchmal beeinträchtigen Traumeindrücke auch noch nach dem Erwachen die Stimmung dessen, der geträumt hat. Von göttlicher Eingabe oder prophetischer Schau während des Träumens kann nach der Meinung Aristoteles’ jedoch keine Rede sein. Diese vernünftige Sicht des Traumes geriet bald wieder in Vergessenheit. Der römische Kaiser Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) ordnete an, dass jeder, der etwas vom Staat träumte, es auf dem Marktplatz bekannt gebe. ,In der Mitte des 2. Jahrhunderts schrieb der Wahrsager Artemidor ein Werk über Traumdeutung, in dem er sich auf alte assyrische, ägyptische und griechische Traumbücher stützte. In den folgenden Jahrhunderten griffen zahlreiche Traumdeuter auf diese Schrift zurück. Artemidor unterschied zwischen dem «Traumgesicht », das « die Zukunft voraussagt », und dem Traum, der « die Gegenwart andeutet ». « So ist es z. B. ganz natürlich, wenn dem Verliebten von einem Stelldichein mit seinem Lieblingsknaben träumt, der Furchtsame die Ursachen seiner Befürchtungen schaut, der Hungrige wieder vom Essen, der Durstige vom Trinken ... träumt.» 4. Hinduismus und Buddhismus gehen von der Vorstellung aus, dass die Seele des Menschen im Schlaf den Körper verlasse. E. Burnett Tylor (1832 - 1917) nahm diese Auffassung zur Grundlage der Theorie, nach der Seelenglauben und Dämonenvorstellungen vom Traumerleben des primitiven Menschen ihren Ausgangspunkt genommen hätten. Im Traum habe der Mensch « erfahren », dass sich die Seele vom Körper befreien und an jeden beliebigen Ort gehen könne; die Begegnung mit Verstorbenen im Traum hätte die Überzeugung begründet, dass die Entschlafenen nicht wirklich tot seien, sondern an einem verborgenen Ort weiterleben. (Animismus) Im alten China machte man einen Unterschied zwischen der «materiellem Seele », die die Funktionen des Körpers reguliert, und der « geistigen Seele », die im Tod den Körper verlässt. Im Traum, bei Visionen und in Trancezuständen lasse die « geistige Seele » den Körper nur vorübergehend zurück. Sie könne sich mit anderen Seelen der Toten oder mit Geistern verbinden und Erfahrungen von dort zurückbringen. «Es gibt für den Menschen zwei Zustände, den einen hier in dieser Welt, den anderen in der anderen Welt und, als einen dritten, mittleren, den Zustand des Schlafs. Im mittleren Zustand sieht der Mensch beide Zustände zugleich, den einen in dieser Welt hier und den anderen in der anderen Welt.» (Upanishaden, um 1000 v. Chr.) Die Frage nach der Wirklichkeit des Traumes ist durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder neu gestellt worden. Der chinesische Philosoph Tschuangtse schrieb um 350 v. Chr.: «Einst geschah es, dass ich, Tschuangtse, träumte, ich sei ein Schmetterling, hin-und herflatternd mit allen Absichten und Zielen eines Schmetterlings. Ich war mir einzig und allein meiner Neigungen als Schmetterling bewusst, nicht aber meiner Individualität als Schmetterling. Plötzlich erwachte ich und lag da, wieder ich selbst. Nun weiß ich nicht, war ich ein Mensch, der träumte, er sei ein Schmetterling, oder bin ich ein Schmetterling, der jetzt träumt, er sei ein Mensch ? » Fast zweitausend Jahre später meinte Blaise Pascal (1623-1662): «Da wir ... nach unserm eigenen Zugeständnis die Hälfte des Lebens mit Schlaf zubringen, in welchem wir - so sehr es uns auch so vorkommen mag - keine Vorstellung von der Wahrheit haben, da ja alle unsere Gefühle nur Illusionen sind: Wer weiß, ob jene andere Hälfte des Lebens, in der wir zu wachen vermeinen, nicht ein anderer, von jenem ersten etwas verschiedener Schlaf ist, aus dem wir dann erwachen, wenn wir zu schlafen glauben? ... Und da man oft träumt, dass man träumt, einen Traum auf den anderen schichtend, ist es schließlich durchaus möglich, dass die Hälfte des Lebens, in der wir zu wachen glauben, selbst nur ein Traum ist, ... aus dem wir beim Tod erwachen.» 5. Seit der Frühzeit des Christentums waren christliche Schriftsteller bemüht, « abergläubische » und magische Wahrsagerei und Traumdeutung zu unterbinden. Bestimmte Eigenarten der christlichen Religion scheinen jedoch das Träumen der Christen auf charakteristische Weise zu prägen. Das Gewicht etwa, das man der Keuschheit lange Zeit beimaß, forderte seinen Tribut. Gerade die Gläubigsten litten unter teuflischen Spukbildern, und die Einsiedler träumten von verführerischen Frauen, vor denen sie ja in die Wüste geflüchtet waren. Die Betonung der Demut scheint einen regelrechten Nährboden für aggressive Dämonen- und Teufelsvorstellungen abgegeben zu haben. Mit den Hexen verfolgte man offenbar auch die eigenen sexuellen Versuchungen und Wünsche. Andererseits sahen sich mittelalterliche Nonnen in Träumen und Visionen als Bräute Christi. Martin Luther (1483 - 1546) warnte davor, dass der Teufel gerade durch Träume viel Übel anrichten könne. Gewisse Zaubersprüche und besondere Maßnahmen wie das Bestreichen der Augenlider mit Fledermausblut riefen angeblich « diabolische » Träume hervor. Auch kannte man zahlreiche Getränke und Salben, die Visionen bewirken. Nach der Meinung von Paracelsus (Philippus Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim, 1493-1541, Schweizer Alchimist und Arzt) zeigt der Traum den Schatten der Weisheit, der im Menschen selbst existiert. « Es gibt übernatürliche Träume, und sie sind Boten Gottes.» Da Traumdeutung, Wahrsagerei, Zauberei und Okkultismus ineinander aufgingen, sank mit dem Ansehen des Okkultismus auch dasjenige der Traumdeutung, die schließlich zu einer Angelegenheit für Abergläubische verkam. In zahllosen Volksbüchern blieb sie jedoch erhalten. Die Gebildeten erklärten Traumdeutungen indessen für Betrug, unvernünftig und unnütz. 6. Erst im 19. Jahrhundert erwachte das Interesse am Traum neu; man suchte die Quelle der Träume im Menschen selbst. So konnte der Weg zu einer ernsthaften Traumforschung beschritten werden. Jetzt begann man auch, Träume von Naturvölkern zu sammeln. (Stammesreligionen) Obgleich jede dieser Gemeinschaften ihre eigene Sozialstruktur, ihre eigenen Traditionen, Bräuche und Glaubensvorstellungen hat, fand man in ihren Träumen und Mythen doch bestimmte immer wiederkehrende Themen. Zwischen Mythen und Träumen schien eine innere Beziehung zu bestehen; beide erschienen als Ausdruck derselben Kräfte. Der Psychoanalytiker Ernest Jones meinte: « Eines der erstaunlichsten Merkmale echter Symbolik ist die bemerkenswerte Allgegenwart derselben Symbole nicht nur in verschiedenen Gebieten des Denkens, Träumens, Witzes, Wahnsinns, der Poesie usw. einer gegebenen Gesellschaftsklasse und eines gegebenen Zivilisationsgrades, sondern auch unter verschiedenen Rassen und in verschiedenen Epochen der Weltgeschichte ... Eine Schlange wird im Bewusstsein niemals mit dem Phallus in Zusammenhang gebracht, doch regelmäßig in Träumen, und sie ist eines der beständigsten und unveränderlichsten Symbole in primitiven Religionen.» Anthropologen und Völkerkundler erklärten, dass das Träumen eine allen Menschen gemeinsame aufschlussreiche Erfahrung sei; bei vielen Stämmen gewinnen die Träume Einzelner tatsächlich Bedeutung für die ganze Gemeinschaft. Träume bestimmen z. B., welches Totem (Totemismus) der Einzelne oder der Stamm wählt. Aus Träumen entnimmt man, wann Opfer dargebracht werden müssen. Träume offenbaren, welche Heilmittel oder Zauberriten für bestimmte Krankheiten erforderlich sind. In Tänzen, Gesängen oder Zeremonien stellt man seine Träume dramatisch dar. 7. Ein nachhaltiger Anstoß zur Untersuchung von Träumen ging von Sigmund Freuds (1856-1939) Hauptwerk «Die Traumdeutung» (1899 / 1900) aus. Freud, der sich seit 1890 dem Problem der Neurose als Erlebens- und Verhaltensstörung zugewandt hatte, sah sich vor die Frage nach der Beziehung zwischen Körper und Seele gestellt. Wenn er seine Patienten erzählen ließ (« freie Assoziation »), berichteten sie häufig von Träumen. Diese Träume brachten mitunter verlorene Erinnerungen an die eigene Kindheit ins Gedächtnis zurück. Bei ihrer Erforschung kam Freud zu der Erkenntnis, dass die meisten seelischen Vorgänge, die das menschliche Leben beherrschen, keineswegs im Bewusstsein wurzeln; vielmehr sei das Unbewusste (dieser Begriff war bereits vor Freud geprägt worden) der eigentliche Ursprung der Antriebe für Denken und Handeln. Als bester Weg zum Unbewussten erschien ihm die Analyse von Träumen. Als wesentliches Motiv des Traumes bezeichnete Freud die Erfüllung verborgener, insbesondere sexueller Wünsche: Der Traum befasse sich mit Gefühlen, Wünschen und Situationen, die « verdrängt » werden mussten, weil sie dem Bewusstsein als nicht annehmbar erschienen. Im Traum würden diese Wünsche in eine weniger gefährlich erscheinende Form gebracht. «Der Traum ist ein vollwichtiger psychischer Akt; seine Triebkraft ist alle Male ein zu erfüllender Wunsch; seine Unkenntlichkeit als Wunsch und seine vielen Sonderbarkeiten und Absurditäten rühren von dem Einfluss der psychischen Zensur her, den er bei der Bildung erfahren hat.» Freud erkannte, dass der Traum nicht nur Einblick in die Kindheit des Träumenden, sondern auch in die « Entwicklung des Menschengeschlechts » überhaupt gibt. Die Entdeckung zahlreicher Übereinstimmungen von Träumen, Mythen und Märchen bestätigt auch Friedrich Nietzsches (1844 - 1900) Ansicht, dass der Traum «ein uraltes Stück Menschenthum fortübt, zu dem man auf direktem Wege kaum mehr gelangen kann ». Traumdeutung verfolge deshalb das Ziel, «zur Kenntnis der archaischen Erbschaft des Menschen zu gelangen » und « das seelisch Angeborene in ihm zu erkennen ».

Traum [etymologisch vermutlich an Trugbild anzuschließen], noch nicht befriedigend definierte, an den Schlaf gebundene Form der Erfahrung, vielleicht den Phantasien ( Tagträume!) verwandt. Die auslösenden Reize können vielfach nur vermutet werden. Außer den Menschen träumen vermutlich auch die höheren Tiere. Durch physiologische Daten (REM-Phase) läßt sich die T.phase im Schlaf identifizieren; dadurch werden bestimmte Experimente erst möglich: ps. etwa das Studium der Reaktionen auf T.entzug (durch Wecken in der T.phase), pps. z. B. das zeitlich genaue telepathische T.experiment. Von der frühesten Lit. (ca. 4000 v. Chr.) bis in die Gegenwart, in allen Religionen begegnet eine besondere Wertschätzung des T.s: T.e gelten als wichtige Botschaften, wenn nicht gar — wie in einigen Kulturen — angenommen wird, das T.land sei die eigtl. Realität. Auch die heutige Tiefenps. und Ps. sehen im T. eine wichtige Informationsquelle; dir jahrtausendealte Frage, ob diese Botschaften von außen (Göttern) oder innen kommen, haben sie im letzteren Sinn entschieden, aber die Religionen vertreten z. T. auch noch die erstgenannte Hypothese. Den Alternativen (innen- oder außenausgelöster T.) nicht recht zuordnen lassen sich telepathisch induzierte Träume; bei entsprechender Definition des Psychischen werden sie allerdings zu innenbestimmten. Nicht durchzusetzen vermochte sich die Ansicht, es gäbe Träume, die sich innerhalb von Familien vererbten (das könnte manches Phänomen, das für die Reinkarnation als Beleg genommen wird, anders erklären; Letourneau nach Joire 1916). Zu Beginn abendländischer Wiss. vertrat Platon die Ansicht, der T. sei wesentlich ein göttergesandtes, auf Künftiges bezogenes Zeichen; sein Schüler Aristoteles sah im T. die Fortsetzung psychischer Tätigkeit über den Wachzustand hinaus. In der Folge suchte man meist zu unterscheiden zwischen gewichtigen (zukunftsweisenden) und gewöhnlichen Träumen. Zum Verständnis brauchte man die Kenntnisse einer Fachkraft, des T.deuters. Diesen Beruf gibt es schon früh in allen Hochkulturen. Der bekannteste antike T.deuter ist Artemidoros; bei ihm findet sich bereits das gesamte Arsenal moderner tiefenps. T.deutung: die Auslegung von Symbolen, das »existentiale« Verständnis, allegorische Deutungen, Mechanismen der Wortvertauschung, symbolische Handlungen, usw. Die moderne tiefenps. T.deutung das Schrifttum umfaßt mittlerweile Tausende von Arbeiten — setzt mit Freuds Traumdeutung (1900) ein, und in der Psychoanalyse zählt das Arbeiten mit Träumen zu den wichtigsten Verfahren. In der Nachfolge Freuds und teils in gewisser Gegnerschaft zu ihm standen u. a. Wilhelm Stekel (I868-194o), der — allzu pedantisch — das erste moderne T.symbollexikon zusammenstellte, und Otto Rank (1884-1939), der auf die Parallelität mancher Themen im T. mit mythischen Sujets verwies. Diese Ähnlichkeiten erklärte Jung durch den Rückgriff auf das Kollektive Unbewußte und vollzog damit die Rehabilitation des mythischen Gedankens eines T.landes. Übereinstimmend sehen alle Tiefenpsychologen in den Träumen Produkte psychischer Prozesse, die regelhaft, und d. h. analysierbar sind. Sie sind somit diagnostisch und therapeutisch verwertbar; Freud sah im Traum geradezu die via regia, den Königsweg, zum Unbewußten. Nach Ansicht der Psychoanalyse sind die wichtigsten Mittel der T.arbeit Verdichtung, Verschiebung und die Umsetzung eines Inhalts in eine Handlung; im Produkt der T.arbeit, dem T., wird der zugrunde liegende Inhalt zwar ausgedrückt, aber entstellt, da psychische Instanzen angeblich eine Zensur ausüben, ein Widerstand, der das Individuum bedrohende Inhalte (z. B. verbotene Sexualwünsche) nicht unverhüllt zur Darstellung gelangen läßt. Diese Hypothese vom Widerstand wurde 1974 durch David Cohen (University of Texas) wenn nicht widerlegt, so doch sehr fragwürdig. —Freud sah eine wesentliche Funktion des T.s in der Wunscherfüllung, eine zweite im Binden psychischer Spannung, das notwendig ist, um den Schlaf zu ermöglichen (der T. als »Hüter des Schlafs«). Nicht scharf von diesen Funktionen zu trennen ist eine dritte: das Realwerden von im Wachen vernachlässigten Möglichkeiten, die kreative, schöpferische und problemlösende Tätigkeit. — Bei Freud wurden Träume wesentlich mechanistisch kausal erklärt, bei dem schweiz. Psychologen Alphonse Maeder (geb. 1882) und nach ihm vor allem bei Jung final, d. h. als Versuch, einem aktuellen Konflikt dadurch zu begegnen, daß sich symbolisch Lösungstendenzen und Lösungen darstellen. Die Pps. interessiert sich in zweifacher Weise für Träume: Zum einen verwendet sie teilweise beim Verständnis von ASWManifestationen und spukhaften Ereignissen die Methoden tiefenps. T.deutung, zum anderen interessiert sie der paranormale Wissenserwerb im T. Rund 5o Prozent der spontanen ASW geschehen nach dem Zeugnis der Fallsammlungen nämlich im T. Dabei werden die bekannten 3 Modalitäten der ASW unterschieden. Vor allem der Aspekt des Zukünftigen, der präkognitive T., faszinierte bereits in der Antike. Aufgrund ihrer Kasuistik hält die Pps. den präkognitiven T. für wiss. gesichert (Dunneffekt). Allerdings erklären sich viele scheinbar die Zukunft vorwegnehmende T., z. B. solche, die eine Krankheit des Träumers ankündigen, aus einer verfeinerten inneren Wahrnehmung; unter einem prospektiven (vorausschauenden) T.e, verstand denn auch Jung »bloß ... eine Vorauskombinierung der Wahrscheinlichkeiten« (Jung 1948). Läßt man alle möglichen Wahrträume der Kasuistik unberücksichtigt, die nicht gut verbürgt sind — die Pps. verlangt selbst verständlich die nachweisbare Mitteilung des T.s vor dem Eintreffen des Ereignisses —, und jene, die vielleicht durch »Vorauskombinierung« oder infolge von Erfüllungstendenzen sich erklären lassen, so bleibt dennoch ein Rest »echter« Wahr-träume. Dieser Rest ist statistisch nicht signifikant, wenn man an die Unzahl von Träumen denkt, deren Handlungen keiner Realität zu entsprechen scheinen; aber aufgrund ihrer besonderen Qualität nimmt die Pps. dabei echte Präkognition an.
 
 

 

 

 
 
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