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Ketzer (Häretiker)

 
       
  Ketzer (Häretiker) Das Wort « Ketzer » kommt wahrscheinlich von « Katharer » (griech. «die Reinen »), einer seit etwa 1100 n. Chr. insbesondere in Südfrankreich und Oberitalien auftretenden religiösen Gemeinschaft, die die Ideale von Armut und Askese mit dualistischen Vorstellungen verband (s. u.). Häresie (von griech. « wählen », « ergreifen ») ist eine Lehre, die den Dogmen der Großkirche nicht entspricht. Ketzer oder Häretiker legen ein nonkonformistisches Verhalten gegenüber den etablierten Kirchen an den Tag. Die Diffamierung und Verfolgung von Christen durch Christen reicht in frühe Zeiten zurück. Schon Paulus nannte bisweilen seine christlichen Gegner « Hunde », «Verstümmelte », « Lügen-a postel ». Im 2. Petrusbrief werden die Anhänger anderer Überzeugungen heftig beschimpft und als «Schmutz- und Schandflecken », « Kinder des Fluches», «vernunftlose Tiere », « Hun& », « Schweine » bezeichnet (2. Petr. 2, 12 ff.; 2, 22). Als das Christentum Staatsreligion, die Kirche Staatskirche geworden war, ging sie mit Zwang und Verfolgung gegen « Heiden » und Ketzer vor. Im Jahr 381 erließ Theodosius (römischer Kaiser von 37995) ein Religionsedikt, das der religiösen Toleranz den Todesstoß versetzte - jeder römische Bürger wurde dazu verpflichtet, Christ zu werden. (Intoleranz) Zu den frühesten Ketzern des Christentums zählen Simon Magus (Apg. 8), die Gnostiker, Origenes (gest. 254) und Marcion (geb. um 85), den Irenäus (um 115-202) als «des Teufels Sprachrohr » und Tertullian (Ende des 2. Jahrhunderts) als ein « reißendes Tier » beschimpfte. Seine Abweichung bestand im Wesentlichen darin, dass er die Welt für sinnlos erachtete und den alttestamentlichen Weltschöpfer ablehnte. Er wollte das « ins Verderben geratene Evangelium » wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzen, erkannte nur das « gereinigte » Lukas-evangelium und gekürzte Paulusbriefe an und stellte daraus den ersten christlichen Kanon zusammen. Nachdem Marcion als Ketzer ausgestoßen wurde, gründete er eine neue Kirche, eine Gemeinschaft rigoroser Asketen, die sich bis ins 6. Jahrhundert halten konnte. In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts entstand in Phrygien die enthusiastisch-apokalyptische Bewegung des Montanismus, die sich im ganzen Römischen Reich ausbreitete. Die Donatisten, eine zu Beginn des 4. Jahrhunderts in Nordafrika entstandene Bewegung, die bestritt, dass von «Todsündern» gespendete Sakramente wirksam seien, wurden von Augustinus (354 - 430) bekämpft und vom Staat mit Gewalt verfolgt. Die härtesten dogmatischen Kämpfe der Alten Kirche löste Arius aus, ein alexandrinischer Priester, der bestritt, dass der Gottessohn Jesus genauso ewig sein könne wie Gottvater. Der Bischof von Alexandrien verfügte die Absetzung des Arius. Auf dem Konzil von Nicaea (325) wurden die Arianer, die in der Minderheit waren, verdammt und des Landes verwiesen. (Christologie) Im Mittelalter lebte der altchristliche Manichäismus (Gnosis) unter dem Namen der Katharer (s. o.) oder Albigenser wieder auf. Zu deren Überzeugungen gehörte der Glaube an den grundlegenden Gegensatz von gut und böse, an den Körper als Kerker der Seele und die Herabkunft Christi vom Himmel, der mit seinem ätherischen Leib durch den Schoß der Maria hindurchgegangen war, ohne dass die Jungfrau seinen Eingang oder seinen Ausgang gespürt hätte. Als «Vollkommene » vertraten die Katharer einen geistigen Totalitätsanspruch; sie wollten das Himmelreich mit Gewalt herbeizwingen, indem sie jegliche Sinnlichkeit bekämpften, die Fortpflanzung abzuschaffen versuchten und sämtliche Lehren und Institutionen der Kirche verdammten: Der Papst sei der Antichrist, die Messe unbiblisch, Bilder und Kreuze eine Schmähung Christi. Sie lehnten militärische Gewalt und Todesstrafe, Eid und Kriegsdienst ab. Ihre Gottesdienste feierten sie im Verborgenen, in Wäldern und Höhlen. Am wichtigsten für sie war die «Taufe des Heiligen Geistes» (Consolamentum): die Bedingung der Seligkeit. Der Höhepunkt ihres Kampfes gegen das Böse war der freiwillige Tod (Endura): entweder durch das Martyrium oder durch Verweigerung jeglicher Nahrungsaufnahme. Dabei glaubten die Katharer, den « Kuss Gottes » zu spüren. Die Kirche verfolgte sie mit allen Mitteln der Gewalt. Jahrzehntelang dauerten die Albigenserkriege, zu denen der Papst 1208 aufgerufen hatte. Für die Beteiligung am « Kreuzzug » gegen die Ketzer wurden ein « vollkommener Ablass» sowie die Güter der Albigenser als Beute in Aussicht gestellt. Während Ketzer in der Alten Kirche nur von Fall zu Fall verfolgt worden waren, institutionalisierte die Kirche des Mittelalters die Inquisition, nachdem in manchen Gegenden die Zahl der Häretiker überhand genommen hatte und zusehends die kirchliche Machtposition gefährdet schien. Ihr Vorgehen gegen die Ketzerei rechtfertigte die Kirche, indem sie den Satan als deren Urheber bezeichnete. Vereint erklärten Kirche und Staat Häresie zu Hochverrat und Majestätsbeleidigung. Die kirchlichen Inquisitoren traten gleichzeitig als Ankläger, Richter und Beichtväter der Opfer auf. Ketzerei galt als schwerstes Verbrechen, auf das als Strafe Geißelung, Pilgerfahrten, Kreuztragen, Vermögenskonfiszierung und Einkerkerung standen. Verstockte Ketzer wurden verbrannt. Der Feuertod sollte ihre Auferstehung am Jüngsten Tag verhindern. Die Kirche vollzog die Bestrafung der Ketzer allerdings nicht selbst; sie übergab die Verurteilten - mit der Bitte um Milde - dem «weltlichen Arm ». Kirchliche Ketzerbekämpfung begleitet die Geschichte der Kirche - wenn auch unter veränderten Vorzeichen - bis auf den heutigen Tag. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bekämpfte Papst Pius X. den « Modernismus », eine theologische Strömung, die die traditionellen kirchlichen Lehrsätze an die Erfordernisse der modernen Zeit anpassen wollte und dabei den Primat sowie die Behauptung von der Unfehlbarkeit des Papstes ablehnte. Auch das beginnende 20. Jahrhundert stand im Zeichen der Bekämpfung dieses «Sammelsuriums aller möglichen Häresien ». «Was übrig bleibt, ist Atheismus und das Ende der Religion.» (Pius X.) Am 3. Juli 1907 wurden 65 « modernistische Irrtümer » verdammt und in allen katholischen Bistümern « Überwachungsausschüsse » eingerichtet, die die Geistlichen einschließlich der Kardinäle kontrollieren sollten. 1910 wurde der « Antimodernisteneid » von Theologieprofessoren, allen Personen geistlichen Standes, Angestellten der bischöflichen Kurie, Angestellten der vatikanischen Einrichtungen, Predigern und Oberen der geistlichen Orden und Kongregationen gefordert. Am 29. Juli 1908 wurde die Bezeichnung «Heilige Kongregation der römischen und katholischen Inquisition » in « Kongregation des heiligen Offiziums » umgewandelt. Unter dem neuen Namen blieben die alten Funktionen allerdings erhalten. Die Werke der Modernisten (Alfred Loisy, Louis Duchesne u. a.) kamen auf den Index. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Pius XII. einer der Betreiber des «Kalten Krieges». 1949 schloss er per Dekret der Kongregation des Heiligen Offiziums alle Kommunisten aus der Kirche aus und verbot den Gläubigen, «Bücher, Zeitschriften, Zeitungen oder Flugschriften zu veröffentlichen, zu verbreiten oder zu lesen, die die Doktrin oder Tätigkeit der Kommunisten unterstützen, und ebenso in solchen Veröffentlichungen zu publizieren ». Pius XII. brachte in dieser Ära die Werke so bekannter Schriftsteller wie Andre Gide (Nobelpreisträger), JeanPaul Sartre, Alberto Moravia und Simone de Beauvoir auf den Index. 1965 änderte Paul VI. die Bezeichnung « Oberste Kongregation des heiligen Offiziums » in « Kongregation für die Glaubenslehre » ; sie behielt den Auftrag, neue Lehren und neue Meinungen zu «prüfen» und Bücher zu zensieren. 1966 wurde der Index offiziell abgeschafft; aber das Lesen der verurteilten Bücher bleibt Sünde. Dem Vatikan nicht genehme Theologen werden heute noch mit Sanktionen belegt. Der mehrfach hiervon betroffene Theologe Hans Küng meinte dazu: « Sie [die Kongregation für die Glaubenslehre] war Inquisition und ist Inquisition geblieben.»  
 

 

 

 
 
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