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Hexenglaube

 
       
  Der englische Erzbischof Samuel Hasnet verkündete im Jahre 1622, wie eine Hexe aussehe: »Ein geiferndes altes Weib, dessen Kinn und Knie vor Alter zusammentreffen, das gekrümmt wie ein Bogen läuft und sich auf einen Stock stützt; das hohläugig, zahnlos, mit zerfurchtem Gesicht und lahmen, zitternden Gliedern, vor sich hin murmelnd durch die Straßen schleicht.« Die Brüder Grimm haben mit ihren Märchen dafür gesorgt, dass sich dieses Klischee auf Hexen bezogen durchgesetzt hat.
Die Zeit der Hexenverfolgung war ein bizarres und barbarisches Kapitel der europäischen Geschichte. Im 15., 16., 17. und 18. Jahrhundert, einer Zeit großartiger menschlicher Errungenschaften (unter anderem in der Technik) in ganz Europa, führte die grausame Verfolgung durch die kirchlichen Obrigkeiten, so zum Beispiel die katholische Inquisition, zur Entvölkerung ganzer Städte und zum qualvollen Sterben von mindestens 200 000 Menschen, nach anderen Schätzungen gar von Millionen von Unschuldigen. Hexen waren angeblich mit dem Teufel im Bunde, hatten einen Pakt mit ihm geschlossen, konnten durch die Luft fliegen und sich in Tiere verwandeln. Gemäß dem vorherrschenden Aberglauben begingen sie »Malefizien« (Schadenszauber), zu dem sie vom Teufel und seinen Dämonen Pulver erhielten. Außerdem hatten sie häufigen Geschlechtsverkehr mit dem Gehörnten und brachten eklige Tiere und schauerliche Missgeburten zur Welt. Schon lange vor der Hexenverfolgung wurden solche Geschichten verbreitet. Aber die Kirche beteiligte sich ursprünglich nicht daran. Im Gegenteil: 1154 bekräftigte Johannes von Salisbury den Unsinn solchen Aberglaubens. Er erzählte einige der Geschichten, die im Umlauf waren und zog das Fazit: »Es ist doch offensichtlich, dass nur arme alte Frauen und Männer von einfältiger Geistesart solchem Unsinn Glauben schenken.«
170 Jahre später war es aus mit der Vernunft. In jenem Jahr wurde Lady Alice Kyteler in Irland zu einem der ersten Opfer des Hexenwahns. Sie war nicht nur eine schöne Frau, sondern auch die reichste von Kilkenny. Bischof Richard de Lebrede war neidisch auf ihren Reichtum und ihre Macht. Er klagte sie 1324 an, sie habe sich von der Kirche losgesagt, opfere Tiere, parodiere religiöse Zeremonien und stelle Pulver und Salben aus »schrecklichen Würmern«, Kräutern, Leichenteilen von Männern und ungeborenen Kindern her. Lady Alice gelang die Flucht nach England. Doch sie konnte ihre Zofe nicht mitnehmen und die wurde so lange grausam gefoltert, bis sie zugab, ihre Herrin sei eine Zauberin und hätte an nächtlichen Orgien mit dem Teufel teilgenommen. Die Zofe wurde verbrannt. Das Schloss und die Ländereien von Lady Alice beschlagnahmte der Bischof für sich. Die Jagd auf Hexen war damit eröffnet und endete erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts.
Es hat in den Mythen immer Frauen gegeben, die wie Homers Circe Männer verführten und in Schweine verwandelten, oder wie Medea aus Kräutern und den Eingeweiden des Werwolfs Zaubermittel bereiteten. In der Bibel gibt es die Hexe von Endor, bei der der ratlose König Saul Hilfe sucht. Aus dem klassischen Altertum sind tausende von Berichten über Frauen bekannt, die die Fähigkeit besaßen, sich selbst und andere in Tiere zu verwandeln oder nächtens zu fliegen. Sie kannten angeblich auch Praktiken und Zaubermittel, um Liebe oder Hass in einem Menschen zu wecken. Sie konnten die Menschen in Angst und Schrecken versetzen, aber auch helfen und heilen.
Und die Heilerinnen waren von der Hexenverfolgung am stärksten betroffen. Zuerst traf es die alten Frauen, die als heilkundige Helferinnen im Volk eine wichtige Rolle spielten. Sie waren sehr oft auch gleichzeitig Hebammen. Manche Wissenschaftler behaupten, die Hexenverfolgung sei vor allem wegen dieser Frauen begonnen worden, um in den damals herrschen den Notzeiten einer Überbevölkerung vorzubeugen. Die Hexenprozesse uferten in eine Welle der Grausamkeit aus. Hexenjäger zogen durch Europa. Sie erhielten in England 20 Schilling für jede gefangene Hexe. Dazu nahmen sie von den Gemeinden Steuern ein, um sie »hexenfrei« zu machen. Jeder konnte jeden denunzieren. Manche Hexenjäger machten es sich einfach. Sie fesselten die Menschen und warfen sie in einen Fluss oder einen See. Wenn sie nicht untergingen, waren sie Hexen. Kinder denunzierten ihre Eltern, selbst Geistliche wurden auf Scheiterhaufen verbrannt, entweder weil sie über Reichtum verfügten, oder aber weil sie gegen den Wahnsinn in Wort und Tat vorgingen.
In Deutschland wurde erst 1793 die letzte angebliche Hexe verbrannt. Erst in diesem Jahrhundert hat man ein klareres Bild des Hexenwesens gewonnen. Die englische Anthropologin Margaret Murray stellte 1921 fest: »Jahrhundertelang wurde die Hexe verehrt und geliebt. Die Hexe wurde von allen konsultiert, die Linderung bei Krankheiten, Rat bei Kümmernissen oder die Voraussage zukünftiger Ereignisse suchten.« Margaret Murray stellte die von einigen Wissenschaftlern übernommene These auf, dass die Hexerei kein Produkt mittelalterlicher Fantasie ist, sondern eine uralte heidnische Religion, deren Ursprünge schon bei Höhlenbewohnern zu finden sind. Der deutsche Universitätsprofessor Will Erich Peuckert entdeckte den wahrscheinlichen Hintergrund von Hexensabbat und Hexenflügen. In einem Buch über die Hexerei aus dem 16. Jahrhundert fand er eine Beschreibung von Hexensalben. Er folgte der Rezeptur und benützte dazu Auszüge von verschiedenen Pflanzen, die starke psychedelische (Rauschzustände hervorrufende) Wirkungen haben. Er probierte die Salbe gemeinsam mit einem Kollegen aus. Beide fielen innerhalb weniger Minuten in einen tranceähnlichen Schlaf. Beim Erwachen hatten sie einen schrecklichen Kater. Aber nach ihren Angaben hatten sie einen Hexensabbat erlebt. Sie hatten beide das Gefühl gehabt, weit durch die Luft zu fliegen, zu steigen und zu stürzen. Beide waren auf der Spitze eines Berges gelandet. Sie berichteten, der Sabbat war eine wilde Orgie, bei der junge Damen die Hauptrolle spielten.
Dieser Bericht aus dem Jahre 1960 stimmte mit aufgezeichneten Aussagen von Hexen überein. Sie hatten ihren diabolischen Sabbat tatsächlich gefeiert, wenn auch nicht körperlich. Auch Schamanen benutzen halluzinogene Drogen, um die Welt der Geister zu betreten und die Seelen der Kranken zurückzuholen. Waren die Hexen mitteleuropäische Schamanen? Hexensalben und Reiten auf dem Besenstiel sind heute nicht mehr gefragt. Dennoch gibt es überall auf der Welt Menschen, die sich Hexen nennen. In Lissabon ging ein Junge, dem die Ärzte ein Bein amputieren wollten, zu einer Hexe. Sie behandelte das Bein mit Kräutern. Der Junge behielt sein Bein. Als man die Hexe, eine 54 jährige Analphabetin, vor Gericht stellte, weil sie ohne Zulassung Heilverfahren praktizierte, wurde sie freigesprochen und anschließend von der Presse als Naturheilkundige gefeiert.
In einem Ort nahe der russischen Stadt Wolgograd berichteten Zeitungen, die Maschinen einer Zeitungsdruckerei haben in dem Moment versagt, als eine Geschichte über eine ortsansässige Frau, die darin als Hexe beschrieben wurde, gedruckt werden sollte. Die Hexe hatte behauptet, sie könne mit ihrer Kunst die Liebe untreuer Männer zu ihren Frauen wieder aufleben lassen. Sie wurde verhaftet.
Wie viele andere Hexen hielt auch diese Frau die Sieben für ihre Glückszahl. Wie der Zufall es wollte wurde genau sieben Tage nach ihrer Verhaftung eine allgemeine Amnestie verkündet.
 
 

 

 

 
 
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