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Religionssoziologie

 
       
  Religionssoziologie erforscht die Wechselbeziehungen zwischen Religion und Gesellschaft. Sie versteht sich dabei nicht als Hilfswissenschaft der Theologie, sondern als eigenständige soziologische Fachrichtung, die zur Erkenntnis der gesellschaftlichen Wirklichkeit beiträgt. Dabei bezieht sie sich hauptsächlich auf drei Forschungsgebiete: auf die Ursachen der Entstehung von Religionen, auf das soziale und religiöse Leben kirchlicher Gruppen und auf die Wechselwirkungen zwischen Religion und Gesellschaft. Die Methoden der Religionssoziologie stammen aus der empirischen Sozialforschung. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Interviewtechnik, Verfahren des Zählens und Messens (etwa bezüglich der Teilnahme an religiösen Veranstaltungen), teilnehmende und nicht-teilnehmende Beobachtung oder inhaltliche Analysen sprachlicher oder literarischer Erzeugnisse der Religionsgemeinschaften. 1. Das wissenschaftliche Interesse an der Bedeutung von Religion für die Gesellschaft kam mit der Kritik am « weltlichen » Herrschaftsanspruch der Kirchen auf. Deshalb steht am Anfang der Religionssoziologie die Religionskritik der Aufklärung: Ludwig Feuerbach (1804 -1872) bezeichnete die Gottesvorstellung als menschliche Projektion. Karl Marx (1818 -1883) ermittelte daraufhin die gesellschaftlichen Verhältnisse als Grund für diesen Vorgang: Religion sei ein gesellschaftliches Produkt und darüber hinaus auch ein trügerisches Beruhigungsmittel derjenigen, die von der Gesellschaft am meisten benachteiligt werden. Wichtige Anregungen verdankt die Religionssoziologie auch der Ethnologie. Die Entdeckung fremder Länder und Kulturen seit dem Ende des 15. Jahrhunderts brachte die Europäer mit einer Fülle unbekannter Lebensweisen und Religionen in Berührung. Aber erst im 19. Jahrhundert regte sich ein wissenschaftliches Interesse an den « Primitiven ». Der Anthropologe Edward Burnett Tylor (1832-1917) beschrieb die Religion der «Wilden» als « Glaube an spirituelle Wesen » und fand dessen Ursprung in konservativem Ahnenkult, der sich jeglichen Veränderungen im religiösen und sozialen Bereich grundsätzlich widersetze. Herbert Spencer (1820-1903) bestätigte diese Ansicht: Religion stärkt seiner Meinung nach den familiären Zusammenhalt, etwa durch kultische Praktiken wie Beisetzung (Totenbestattung) und Verehrung der Ahnen. James George Frazer (1854-1941) bezeichnete die Vergöttlichung der Toten und damit die in aller Welt verbreitete Hoffnung auf Unsterblichkeit als Ursprung von Religion. Magie sei die älteste religiöse Form menschlichen Umgangs mit der Welt. Religion habe sich erst entwickeln können, als der Mensch einsah, dass Magie wirkungslos ist. Der in der Religionssoziologie bis heute nachhaltigste Einfluss ging indessen von dem französischen Soziologen Emile Durkheim (1858-1917) aus. Nach seiner Definition ist Religion « ein solidarisches System von Glaubensvorstellungen und Handlungen, bezogen auf sakrale Dinge, d. h. abgetrennte und verbotene Dinge; diese Verstellungen und Handlungen vereinen in einer moralischen Gemeinschaft, genannt Kirche, alle diejenigen, die ihnen anhängen ». Religion gehöre also zur Gesellschaft; sie sei eine soziale Erscheinung in dem gleichen Maß, wie die Gesellschaft eine religiöse Erscheinung ist. In seiner Untersuchung «Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus» (1904/05) beschäftigte sich Max Weber (1864 -1920) mit den Wirkungen einer konkreten Religionsform auf nicht-religiöse Bereiche. Er wollte dabei erklären, weshalb Protestanten überdurchschnittlich viel Kapital besitzen, während katholische Staaten oft wirtschaftlich geringer entwickelt sind als protestantische. Als Schlüssel des wirtschaftlichen Fortschritts im Protestantismus machte er nun die puritanische Theologie aus. In dieser Theologie zählt die weltliche Arbeit als gottgefä liges Tun. Rastlose Berufsarbeit und asketische Selbstkontrolle dienten den Nachfolgern Calvins (1509 -1564) auch als Mittel gegen Glaubenszweifel. Erfolg gilt als Zeichen der Gnade Gottes. Das religiöse Gewinnstreben der Calvinisten ist also, nach der Theorie Max Webers, einer der historischen Träger des kapitalistischen Geistes. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich die Religionssoziologie zu einer streng empirischen Wissenschaft, die mehr und mehr auf umfassende Theorien bezüglich des Zusammenhangs von Religion und Gesellschaft verzichtete und sich stattdessen auf die Anwendung exakter Methoden und auf eng begrenzte Forschungsfragen beschränkte.  
 

 

 

 
 
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