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Religionskritik

 
       
  Religionskritik Religion ist ein System der Deutung, bei dem Welt und Mensch als von heiligen Mächten bestimmt erscheinen. Diese Mächte werden in den so genannten Hochreligionen als persönliche Gottheiten vorgestellt (Gott), deren Handeln dem Menschen die Welt und seine eigene Stellung in ihr verständlich und sinnvoll macht. In den frühen Religionen ;ab es noch keine Religionskritik. Sie begann erst mit den Griechen. Xenophanes (ca. 57080) kritisierte, dass man den Göttern all das « angehängt » habe, «was nur bei Menschen schimpf und Tadel ist: Stehlen und Eherechen und einander Betrügen ». Tatsächlich führten die griechischen Götter auf dem Olymp ein fröhliches Leben, und man schrieb ihnen Macht über alle möglichen Naturkräfte zu. Der Gang der Religionskritik durch die Geschichte erscheint als fortschreitende Beseitigung der Götter aus Natur und Welt. Am Ende dieses P:ozesses der « Säkularisierung » wird es mehr und mehr verpönt, sich bei der Erklärung von Natur und Welt auf Gott zu berufen. Die Aufklärung hat diesen Vorgang historisch zu deuten versucht: In der Frühzeit hätten sich die Menschen von zahlreichen Kräften und Mächten, Geistern und Göttern bestimmen lassen, in der Neuzeit aber seien natürliche Erklärungen für den Lauf der Dinge an ihre Stelle getreten (Auguste Comte, 1789-1857). In dem Maß, wie Götter und Geister für die Welterklärung überflüssig wurden, richtete man den Blick auch auf das Zustandekommen der Gottesvorstellungen selbst. Schon die Griechen bezeichneten die Angst des Menschen vor Bestrafung nach dem Tod und die Furcht vor außergewöhnl chen Naturerscheinungen als Ursprung des Götterglaubens. (Demokrit, ca. 47080) Diese Auffassung hat sich über die Zeiten hinweg bis in die Gegenwart erhalten. « Die Religion stützt sich vor allem und hauptsächlich auf die... Angst vor dem Tod.» (Bertrand Russell, 18721970) Ein anderer Ansatz der Religionskritik wurde dem athenischen Staatsmann Kritias im 4. Jahrhundert v. Chr. zugeschrieben, nach dessen Meinung «ein schlauer und gedankenkluger Mann die Götterfurcht erfunden [habe], auf dass ein Schreckmittel da sei für die Schlechten, auch wenn sie im Verborgenen etwas täten oder sprächen oder dächten ». Der Gottesglaube erscheint damit als Mittel zur Verfolgung bestimmter sozialer Ziele. Auch diese Auffassung hat sich, wenn auch in Abwandlungen, bis in unsere Zeit erhalten. Nach Meinung Friedrich Nietzsches (1844 -1900) zweifelt die Gesellschaft an der Aufrichtigkeit jedes ihrer Mitglieder, das sie eigentlich durchschauen möchte, in Wirklichkeit aber nicht durchschauen kann. Deshalb habe sie eigens einen Gott als Richter erfunden, dem nichts verborgen bleibt: Gott, der Wahrhaftige, fordert und kontrolliert Wahrhaftigkeit und stiftet so Moral. Damit wird der Gottesglaube unter dem Gesichtspunkt seiner Nützlichkeit betrachtet. Er erweist sich als durchaus brauchbar bei der Ausübung von Macht. Den Herrschern des Staates riet schon Niccolo Machiavelli (1469 - 1527), « die Grundpfeiler ihrer Religion», selbst wenn sie deren Unwahrheit erkannt hätten, aufrechtzuerhalten: um ihrer Herrschaft wie um der Einheit im Staat willen. Im 19. Jahrhundert wurde diese Sichtweise weitergeführt: Religion sei «Narkotikum». «Es ist mehr Verwandtschaft zwischen Opium und Religion, als sich die meisten Menschen träumen lassen », meinte Heinrich Heine (1797 - 1856). Im Anschluss an Bruno Bauer (1809-1882) und Moses Heß (1812 - 1875) bezeichnete Karl Marx (1818 - 1883) Religion geradezu als «Opium des Volks ». Ludwig Feuerbach (1804 -1872) hatte zuvor erklärt, dass das Geheimnis der Theologie und Gottes niemand anderes als der Mensch selbst sei. «Das Bewusstsein Gottes ist das Selbstbewusstsein des Menschen.» « Gott » sei das eigene Wesen des Menschen, das dieser aus seinem Innern nach außen « projiziert » habe. Dieser Vorgang müsse durchschaut und rückgängig gemacht werden. Erst der Atheismus kann, nach Feuerbachs Meinung, dem Menschen diejenige Würde zurückgeben, die ihm der Gottesglaube genommen hat. Die «Aufhebung des Jenseits» werde die ganze Vielfalt diesseitiger Lebensmöglichkeiten eröffnen. An die Stelle der überkommenen Religion soll der Glaube « an die Wahrheit und Gottheit des menschlichen Wesens » treten. Auch Sigmund Freud (1856-1939) bezeichnete Religion als Illusion, ihre Inhalte seien kindliche Wunschvorstellungen: «Wir heißen also einen Glauben eine Illusion, wenn sich in seiner Motivierung die Wunscherfüllung vordrängt, und sehen dabei von seinem Verhältnis zur Wirklichkeit ab, ebenso wie die Illusion selbst auf ihre Beglaubigung verzichtet.» Der Gläubige möchte die Welt auf immer so sein lassen, wie er sie als Kind erlebt hat. Deshalb sind die Lehren der Religion « Erfüllung der ältesten, stärksten, dringendsten Wünsche der Menschheit; das Geheimnis ihrer Stärke ist die Stärke dieser Wünsche». Eine ähnliche Art der «Weltbewältigung» wie bei Gläubigen fand Freud bei Kindern. Aus diesem Vergleich schloss er, dass Religion ihren Ursprung in kindlicher Hilflosigkeit habe: «Wenn nun der Heranwachsende merkt, dass es ihm bestimmt ist, immer ein Kind zu bleiben, dass er des Schutzes gegen fremde Übermächte nie entbehren kann, verleiht er diesen die Züge der Vatergestalt, er schafft sich die Götter, vor denen er sich fürchtet, die er zu gewinnen sucht und denen er doch seinen Schutz überträgt.» Gott ist ein überhöhter Vater - die Wiederholung der ersten Trostgestalt. Deshalb trägt jeder Glaube neurotische Züge. Der religiöse Mensch will die Welt nicht so nehmen, wie sie ist; er will nie erwachsen werden. Die Religionskritik von Marx und Freud führte Erich Fromm (1900 - 1980) weiter. Seiner Meinung nach braucht der Mensch zur Bewältigung seiner Lebensaufgabe ein « Gerüst zum Zwecke der Orientierung und Hingabe». Religion komme diesem Bedürfnis entgegen. Als autoritäre Illusion unterwirft sie den Menschen jenseitigen Mächten, die Gehorsam und Verehrung beanspruchen. Gehorsam ist die wichtigste Tugend der autoritären Religion, Ungehorsam ihre Hauptsünde. Die autoritäre Religion erzeugt ein autoritäres Gewissen: die nach innen verlegte äußere Autorität. Gehorsam erfolgt aus Angst, Ungehorsam macht Schuldgefühle. Das autoritäre christliche Gewissen aber - nach Fromms Meinung wurde es von Paulus und Augustinus, Luther und Calvin theologisch konzipiert - verhindert, dass sich die Persönlichkeit selbst entfalten kann. Kritik der Religion ist Kritik der Gottesvorstellung. Von einem autoritären Gott - der im Alten Testament bisweilen als Abbild eines autoritären Stammeshäuptlings dargestellt ist muss sich der Mensch bis zur «Freiheit von Gott» lösen. Freiheitsgeschichte wird, nach Fromms Meinung, bis zur Auflösung von Theologie überhaupt führen. Der Glaube an Gott wird dann durch den Glauben an den Menschen und an die Menschheit ersetzt. Erst durch wahre Selbstliebe als Bejahung des eigenen Lebens und der eigenen Entfaltung könne der Mensch schließlich mit sich selbst und der Welt eins werden.  
 

 

 

 
 
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